Immobilienkauf ohne Eigenkapital – (Wie) ist das möglich?

Nico Vaziri

15.11.2021

Für die meisten Menschen ist die größte Hürde beim Immobilienkauf das ausreichende Eigenkapital. Denn typischerweise sollen zumindest die Kaufnebenkosten und ca. 20 Prozent des Kaufpreises als Eigenkapital eingebracht werden. Doch es ist auch möglich, eine Immobilie ohne Eigenkapital zu erwerben. Wie diese Finanzierungsmöglichkeit funktioniert, welche Voraussetzungen es gibt und welche Vor- und Nachteile sich daraus ergeben, haben wir für dich zusammengefasst.

Was ist Eigenkapital?

Für alle, die sich noch nicht tiefgehend mit der Finanzierungsstruktur von Immobilienprojekten beschäftigt haben, gehen wir kurz auf die Unterschiede von Fremd- und Eigenkapital ein. Jener Betrag, den die Bank für deinen Immobilienkauf bereitstellt, bezeichnen wir als Fremdkapital. Wenn du als Privatperson investierst, bekommst du Fremdkapital normalerweise einfach in Form eines Kredits.

Damit du diesen Kredit bekommst, verlangt die Bank meistens einen gewissen Anteil an Eigenkapital. Eigenkapital ist meist dein Erspartes, das du für die Bezahlung von Kaufnebenkosten und einen gewissen Anteil des Kaufpreises einsetzt. Oft wird versucht, möglichst wenig Eigenkapital zu verwenden, da Finanzierungen zu günstigen Konditionen zu haben sind. Eigenkapital hingegen kann als teuer betrachtet werden. Du musst dieses Geld erst hart erarbeiten und versteuern, bevor du es für Investments als Eigenkapitalanteil einsetzen musst. In weiterer Folge ist dieses Kapital dann, zum Beispiel für die Immobilie, gebunden und kann nicht zu anderen Zwecken genutzt werden.

Immobilienkauf: Wie viel Eigenkapital ist nötig?

Der Sinn des Eigenkapitals ist, der Theorie nach, das Risiko des Investments zu reduzieren und eine Fremdfinanzierung überhaupt erst möglich zu machen. Die Immobilie selbst hat einen gewissen Wert, den die finanzierende Bank anerkennt. Deshalb ist die bereitgestellte Finanzierung der Bank auch entsprechend im Grundbuch abgesichert. Trotzdem möchten Banken, dass ein Teil des Kaufpreises selbst getragen wird. Denn das reduziert das Risiko der Bank, die ansonsten eine höhere Finanzierung bereitstellen muss und „nur“ die Immobilie als Sicherheit zur Verfügung hat.

Mehr Eigenkapital bedeutet einen geringeren Kreditbetrag. Ist dieser Betrag geringer, so sinkt auch die finanzielle Belastung, die monatliche in Form von Zinsen und Tilgung anfällt. Die Bank hat dementsprechend immer Interesse daran, einerseits möglichst viel zu finanzieren, denn schließlich erhält sie Zinsen. Andererseits muss sie auch auf ihr Risikoprofil achten und dafür sorgen, dass Kredite vergeben werden, die auch wirklich zurückbezahlt werden können.

Als Faustregel für den Immobilienkauf gilt, dass die Kaufnebenkosten und 20 Prozent des Kaufpreises durch Eigenkapital gedeckt sein sollten. Dieser allgemeine Richtwert kann nicht völlig pauschal genutzt werden. Es kommt auf einige Einflussfaktoren an. Diese sind beispielsweise:

  • Risikobereitschaft der Käuferin bzw. des Käufers

  • Kaufpreis in Relation zum tatsächlichen Wert der Immobilie: Wird in Relation zum eigentlichen Marktwert günstig eingekauft, ist die Sicherheit entsprechend besser vorhanden.

  • Höhe deines monatlichen Einkommens: Mit hohem Einkommen kann die Tilgung schneller erfolgen. Durch eine zügige Tilgung kann der offene Betrag des Fremdkapitals rasch reduziert werden.

  • Rahmenbedingungen der finanzierenden Bank: Manche Banken sind offener für höhere Fremdkapitalanteile, andere möchten nur Finanzierungen abwickeln, die bestimmte Eckdaten erfüllen.

Wer eine Anlegerwohnung kaufen möchte oder vielleicht ein kleines Portfolio an Immobilien aufbauen will, um vorzusorgen und sich passives Einkommen zu schaffen, sollte bei der Finanzierung nicht zu viel riskieren.

Niemand setzt gerne viel Eigenkapital ein, aber eine gewisse Quote an Eigenkapital ist durchaus empfehlenswert. Denn die Nettomiete der Immobilie sollte ausreichen, um die monatlichen Raten (Tilgung + Zinsen) zu decken. Je höher der Kreditbetrag ist, desto knapper wird diese Kalkulation. Stelle also sicher, dass die Immobilie „Cashflow positiv“ bleibt und passe deine Eigenkapitalquote jedenfalls dementsprechend an.

Voraussetzungen für Immobilienkauf ohne Eigenkapital

Wenn du überlegst, eine Immobilie möglichst ganz ohne Eigenkapital zu kaufen, musst du einige Voraussetzungen erfüllen.

Genaue Kalkulation

Der erste Punkt ist, dass die Immobilie bzw. die Finanzierung trotzdem für dich gut leistbar sein muss. Wie beschrieben ist es wichtig, dass ein positiver Cashflow erzielt wird. Dabei darfst du keinesfalls zu optimistisch kalkulieren. Außerdem musst du Leerstand einplanen und in dieser Phase dann die monatlichen Kosten anderweitig decken können. Eine exakte Kalkulation, die alle Eventualitäten einbezieht, ist daher besonders wichtig.

Lege deine Berechnungen der Bank vor und besprich genau, welche Szenarien eintreten können. So zeigst du, dass du dir auch hinsichtlich potenzieller Risiken bewusst bist und für diese Szenarien ebenfalls bereits Berechnungen angestellt hast.

Hohes Einkommen

Wer über hohes Einkommen verfügt, kann einfacher damit umgehen, wenn der Cashflow einer Immobilie nur minimal positiv ist. Außerdem kommst du so nicht in Zahlungsschwierigkeiten, sobald die Wohnung einmal leer steht. Ein hohes Einkommen kann dazu genutzt werden, eine hohe Tilgungsrate mit der Bank zu vereinbaren. Der Eigenkapitalanteil wird dadurch dann aufgebaut, während der Kredit bereits läuft. Generell ist es wichtig, nachweislich eine hohe Zahlungskraft zu besitzen, damit die Bank bereit ist, überhaupt eine Finanzierung ohne Eigenkapital in Erwägung zu ziehen. Du solltest daher unbedingt eine genaue Übersicht zu all deinen Fixkosten, den sonstigen Ausgaben der letzten Monate sowie deiner Vermögens- und Einkommenssituation vorbereiten.

Günstiger Einkaufspreis

Wenn eine Immobilie außergewöhnlich günstig erworben werden kann, ist der Bank klar, dass die Sicherheit entsprechend gut gegeben ist. Das Objekt könnte gegebenenfalls rasch gewinnbringend weiterverkauft werden.

Niedrige Fremdkapitalzinsen

Eine Vollfinanzierung macht aus deiner Perspektive selbstverständlich nur Sinn, solange die Zinsen niedrig sind. Derzeit (Stand 12/2021) ist das der Fall. Doch wenn die Zinsen gerade wesentlich höher angesiedelt sind, musst du selbstverständlich deine Vorgehensweise anpassen. Dann ist eine Vollfinanzierung der Immobilie wesentlich weniger attraktiv.

Immobilienkauf ohne Eigenkapital: Vorteile

Die Vorteile, die dafür sprechen, eine Immobilie mit möglichst wenig oder sogar überhaupt keinem Eigenkapital zu erwerben, liegen auf der Hand. Eigenkapital ist vergleichsweise teuer. Das gilt zumindest in der momentanen Niedrigzinsphase. Durch die Negativzinsen sind Banken bis zu einem gewissen Grad gezwungen, Kredite zu vergeben – anders verdienen sie de facto kein Geld. Die Verhandlungsposition, um eine günstige Finanzierung zu erhalten, ist also gut.

Durch einen sehr hohen Fremdkapitalanteil kann eine Immobilie früher erworben werden als wenn du erst ansparen müsstest, bis du beispielsweise 30 Prozent Eigenkapital aufbringen kannst. Wenn du ein besonders günstiges Objekt im Auge hast, bei dem du dich aber schnell entscheiden musst, kannst du einen Kauf ohne Eigenkapital andenken.

Ein weiterer Vorteil ist, dass mehr Objekte erworben werden können. Wenn du auf aggressiver Einkaufstour bist und mehrere Immobilien kaufen willst, ist dein Eigenkapital besonders gefragt. Je weniger Eigenkapital du pro Objekt einbringst, desto mehr Immobilien kannst du in Summe erwerben. Schließlich lässt sich das Eigenkapital auf mehrere Objekte aufteilen. Wenn du einen Teil deines Bestandes ohne Eigenkapital finanzierst, steht dir das Eigenkapital bei anderen Objekten, bei denen du es unbedingt brauchst (z.B. für Sanierungsarbeiten) zur Verfügung.

Bedenke trotz der beschriebenen Vorteile immer, dass die Voraussetzungen für eine sogenannte Vollfinanzierung erfüllt sein müssen. Nur wenn die Rahmenbedingungen wirklich passen, ist eine solche Finanzierung sinnvoll.

Immobilienkauf ohne Eigenkapital: Nachteile

Ein Nachteil, bevor es überhaupt einmal zur Finanzierung ohne Eigenkapital kommen kann, ist, dass du diverse Voraussetzungen (siehe oben) erfüllen musst, um für eine solche Finanzierung in Frage zu kommen.

Die Finanzierung selbst wird dann mit etwas schlechteren Konditionen erfolgen. Wenn kein Eigenkapital eingebracht wird, liegen die Zinsen also etwas höher. Schließlich möchte die Bank eine gewisse Abgeltung dafür, dass sie das Risiko einer Vollfinanzierung eingeht.

Der zentrale Nachteil der Vollfinanzierung ist, dass die monatliche Rate deutlich höher ausfällt. Zinsen und Tilgung müssen jedoch durch die Nettomiete der Immobilie gedeckt sein. Das lässt sich nicht bei allen Objekten machen. Eine Immobilie mit negativem Cashflow solltest du jedoch nur in ganz besonderen Ausnahmefällen kaufen. Denn in dieser Situation müsstest du, zusätzlich zur Nettomiete der Wohnung, monatlich aus deinem Privatvermögen eine Zahlung an die Bank für Tilgung und Zinsen leisten.

Die enge Kalkulation geht Hand in Hand mit der hohen Tilgung. Diese ist jedoch nötig, um rasch einen gewissen Eigenkapitalanteil in die Finanzierung nachträglich einzubringen.

Last but not least verändert eine Vollfinanzierung potenziell deine Risikoeinstufung bei der Bank. Kläre vorab deshalb genau, ob du trotz dieser Finanzierungsform weitere Kredite aufnehmen kannst. Die Bank muss ein ganzheitliches Bild deiner Pläne und deiner finanziellen Situation haben. Erst wenn dieser Aspekt geklärt ist, solltest du eine 100%-Finanzierung eingehen.

Für wen ist ein Immobilienkauf ohne Eigenkapital sinnvoll?

Die wichtigste Voraussetzung ist, dass du eine wirklich attraktive Immobilie gefunden hast, die einen so guten Cashflow erzielt, dass die höhere monatliche Belastung kein Problem darstellt. Außerdem sollte dein Einkommen so hoch sein, dass du diese monatlichen Kosten (Kreditrate, Betriebskosten, etc.) auch aus deinem Privatvermögen decken kannst, falls die Immobilie einmal nicht vermietet ist.

Ein weiterer Aspekt ist, dass du gute Geschäftskontakte zu deiner finanzierenden Bank benötigst, denn nicht immer werden Finanzierungen über 100 oder sogar 110 Prozent (in diesem Fall werden dann sogar die Kaufnebenkosten finanziert) bereitgestellt.

Sinnvoll ist eine Vollfinanzierung auch dann, wenn du dein Eigenkapital anders ertragreicher einsetzen kannst. Ein Beispiel: Nehmen wir an, der vereinbarte Fixzinssatz einer Vollfinanzierung liegt bei 1,8 Prozent. Du hast dein Eigenkapital in ein alternatives Investment gesteckt und erzielst dort eine Rendite von 5 Prozent. In dieser Situation ist es selbstverständlich besser, das Eigenkapital mit der höheren Verzinsung einzusetzen und dafür etwas schlechtere Kreditkonditionen in Kauf zu nehmen.

Ob eine Vollfinanzierung für dich geeignet ist, hängt somit von mehreren Faktoren ab. Die wichtigsten Punkte sind:

  • Eckdaten deiner Immobilie: Ist sie für eine Vollfinanzierung geeignet?

  • Deine finanzielle Situation: Bedenke die höheren, monatlichen Kosten und wie du diese decken kannst, wenn die Wohnung vorübergehend leer steht.

  • Eckdaten der Finanzierung: Zu welchen Konditionen bekommst du eine Vollfinanzierung und welche Alternativen hast du dazu?

Verschaffen dir also vorab immer ein ganzheitliches Bild zu deinen eigenen Finanzen und den verschiedenen Finanzierungsmöglichkeiten, bevor du dich wirklich für eine Vollfinanzierung einer Immobilie entscheidest.

Fazit

Grundsätzlich ist es möglich, den gesamten Kaufpreis einer Immobilie über einen Kredit abzudecken („Vollfinanzierung“). Manche Banken bieten an, zusätzlich auch noch die Kaufnebenkosten zu finanzieren („110 Prozent Finanzierung“), sofern alle Voraussetzungen perfekt passen. Viele Investorinnen und Investoren entscheiden sich trotzdem dafür, einen gewissen Eigenkapitalanteil beim Immobilienkauf einzubringen. Dieser liegt oft im Bereich von 20 bis 33 Prozent.

Sinn des Eigenkapitals ist, dass der Kreditbetrag niedriger ausfällt. Dadurch sinkt das Risiko der finanzierenden Bank und die Konditionen des Kredits sind daher etwas besser als bei einer Vollfinanzierung. Dementsprechend sind die monatlichen Raten etwas geringer, je länger die Kreditlaufzeit angesetzt ist und je höher der Eigenkapitalanteil ist. Falls die Wohnung dann einmal nicht vermietet ist, fällt die finanzielle Belastung in diesem Monat weniger ins Gewicht. Hinzu kommt, dass die laufenden Raten auf diesem Weg einfacher mit der Nettomiete bezahlt werden können. Ist das der Fall, sprechen wir von einer „Cashflow positiven Immobilie“.

Sinnvoll kann die Vollfinanzierung trotzdem sein. Etwa dann, wenn dein Eigenkapital anders investiert werden kann und dort eine wesentlich bessere Rendite erzielt wird. Eine weitere Situation kann sein, dass du für eine Immobilie noch zu wenig Eigenkapital hast, um 20 oder 30 Prozent selbst einzubringen. Da es sich um ein Schnäppchen handelt, willst du aber sofort zuschlagen und nimmst daher eine höhere Finanzierung auf.

Wichtig ist vorab genau zu prüfen, ob du dir eine Vollfinanzierung wirklich leisten kannst und der Bank ein ganzheitliches Konzept zu präsentieren, warum diese Finanzierungsform in deiner konkreten Situation sinnvoll ist. Denn du musst vorab eine gewisse Überzeugungsarbeit leisten und bestens vorbereitet sein, um wirklich einen so hohen Fremdkapitalanteil für eine Immobilie bei deiner Bank realisieren zu können.

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