Woran erkenne ich einen guten Berater für Immobilien-Finanzierungen?

Stefan Perlebach

06.05.2020

Diese Woche begrüßen wir Dennis Girulat zu unserem Experteninterview.

Dennis ist selbstständiger Spezialist für gewerbliche sowie private Finanzierungen. Dabei setzt er einen besonderen Fokus auf Immobilienfinanzierungen, Unternehmerdarlehen, Leasing und P2P-Geschäfte. Seine Expertise teilt er in seiner Ratgeber-Facebookgruppe, in der er zu Fragen und konkreten Fallbeispielen von Mitgliedern Stellung bezieht sowie Tipps und Wissenswertes wöchentlich einstellt.

Was ist die wichtigste Aufgabe eines Beraters für Immobilienfinanzierung?

Ich möchte die Frage gerne etwas abändern. „Was ist die wichtigste Aufgabe eines freien Beraters für Immobilienfinanzierung? Denn genau in diesem Detail steckt die Erklärung für die Antwort auf diese Frage. Die wichtigste Aufgabe ist, direkt am Kunden zu beraten und seine persönlichen sowie beruflichen Ziele und Wünsche mit in die Baufinanzierung einfließen zu lassen. Ich möchte dem Kunden stets eine maßgeschneiderte Finanzierungslösung bieten und nichts von der Stange. Wir heiraten auch „meistens“ nur einmal und geben für die Garderobe viel Geld aus, um elegant und ausgefallen zu sein. Ich behaupte mal, dass sich niemand an solch einem Tag mit einem „Standard – von der Stange“ zufrieden gibt. So ist es auch mit der Baufinanzierung. Diesen Anzug werde ich grundsätzlich mindestens für die nächsten 30 Jahre tragen. Da muss schon alles „passen“. Das kann ich beim Kunden aber nur gewährleisten, wenn ich frei von jeglicher Bank, Bausparkasse oder sonstigem Kreditinstitut bin. Alle anderen verkaufen nur ihr eigenes Produkt und das kann nicht im Sinne des Kunden sein.

Woran erkenne ich einen guten, und woran einen schlechten Berater für Immobilienfinanzierung?

Der Kunde sollte sich am Ende einer Beratung folgende Fragen stellen:

  • Hat sich der Berater ausreichend Zeit genommen, vor einem ersten Angebot sämtliche Objekt- sowie Bonitätsdaten einzuholen oder kommen ungewöhnlich viele Rückfragen, die von Anfang an vermeidbar gewesen wären?

  • Bin ich über sämtliche staatliche Fördermöglichkeiten in meiner individuellen Situation aufgeklärt worden

  • Sind alle meine Wünsche mit in das Angebot eingeflossen?

  • Wurde ich stets über alle Bearbeitungsschritte informiert oder wurde ich oft im Dunkeln gelassen?

  • Habe ich sämtliche Komponenten des Angebots verstanden und auch weshalb mir genau dieses empfohlen wurde?

  • Wurden mir Versprechen gemacht, die nicht eingehalten werden konnten

  • Musste der Berater während der Angebotsfindung mehrfach größere Schwankungen im Zinssatz zwischen den Angeboten erklären, weil auf einmal doch das eine Angebot nicht mehr zur Verfügung stand oder er wieder ein anderes als das Bessere vorgeschlagen hat?

  • Werden Unterlagen von mir mehrfach angefordert, die er eigentlich längst erhalten hat?

  • Beantwortet er Fragen direkt und zum Inhalt? Oder sitzt dort der nächste Politiker, der in einem 30-minütigen Vortrag eigentlich nichts sagt und du selbst deine Frage vergessen hast?

  • Theoretische Fachkompetenz anhand des Werdegangs annähernd überprüfen (Ausbildung, Weiterbildung, Berufserfahrung). Dieser sollte zumindest eine Ausbildung zum Bankkaufmann absolviert haben!

Wenn man diese Dinge im Auge behält, kann man zumindest 50% der inkompetenten Berater ausschließen. Die anderen 50% kristallisieren sich leider erst heraus, wenn die ersten Ablehnungen von Banken kommen, da er evtl. von vornherein eine unpassende Bank ausgewählt hatte und Versprechen gemacht hat, die doch nicht eingehalten werden konnten.

Wie wirkt sich die Corona-Krise aktuell auf Deine Tätigkeit aus? Wie reagieren Deine Kunden und die Banken?

Aktuell: Gar nicht, denn ich arbeite zu 98% online und berate meine Kunden somit auch zu 98% über diesen Kanal (Skype, Zoom, Telefon, etc.). Selbstverständlich kann man mich auch in meinem Büro besuchen und persönlich kennenlernen. Bei den Kunden sind die Einstellungen gespalten. Die einen verschieben den möglichen Immobilienkauf einfach etwas nach hinten, da zurzeit eh keine Besichtigungstermine stattfinden. Die anderen wollen noch möglichst schnell die Finanzierung abschließen, damit die Bank nicht hellhörig wird und man eine Ablehnung kassiert, sofern Gehalt aus Kurzarbeit oder dergleichen eingeht und durch zu bringende Gehaltsnachweise überall ersichtlich wird. Die Banken fahren eine gemeinsame Linie. Sie sind noch langsamer als gewöhnlich. Man prüft noch genauer, wie „krisensicher“ der Arbeitsplatz des Kunden ist.

Auf was sollten Einsteiger die derzeit eine Immobilie suchen besonders achten?

  • Dass der veranschlagte Kaufpreis auch dem tatsächlichen Wert der Immobilie entspricht. Die Tendenz geht dazu, vermehrt in Sachwerte zu investieren. Da kann die Geldgier des Verkäufers wohl Überhand nehmen, denn Kapital ist bei vielen immer noch stark vorhanden, nur gute Objekte gibt es häufig am Markt nicht ausreichend. Gerade in solch einer Krise könnte der Verkäufer den Preis künstlich nach oben treiben.

  • Dass zumindest die Nebenkosten des Kaufs selbst getragen werden können. Vermutlich werden Banken 110%-Finanzierungen weiter einschränken.

  • Dennoch ausreichend Zeit bei der Auswahl des Objekts und der Finanzierung lassen und nichts unter Druck kaufen.

  • Bei Anlageobjekten sollte man sich vorher die Mieterliste exakt ansehen und auch Leerstand verstärkt kritisch betrachten. Sind gewerbliche Mieter von einer möglichen erneuten Pandemiewarnung betroffen (beispielsweise Fitnessstudios) und droht Mietausfall?

  • Dass man die Rate in der Finanzierung nicht zu knapp mit dem frei verfügbaren Einkommen koppelt, denn ansonsten drohen im erneuten Krisenfall Darlehensrückstände.

Was ist Deiner Erfahrung nach der größte Fehler, den Immobilieninvestoren bei der Finanzierung begehen?

Da du hier von Investor sprichst, gehe ich davon aus, dass du den Kapitalanleger und nicht den Eigennutzer meinst. Nun die Kapitalanleger sind meiner Erfahrung nach heutzutage viel zu sehr darauf aus, sich den monatlich größten Cashflow (hier vereinfacht gemeint die Differenz zwischen Mieteinnahme und Darlehensrate) zu generieren. Man versucht also aufgrund der günstigen Zinssituation auch eine möglichst geringe Tilgung zu vereinbaren und so die Gesamtrate auf ein Minimum zu beschränken. Das mag vielleicht im ersten Moment der Überlegung Sinn ergeben, da man monatlich für das eigene Portemonnaie am meisten herauszieht, aber die wenigsten Kapitalanleger:

  • legen sich dennoch ausreichend Kapital für Renovierungen und Sanierungen zur Seite

  • bedenken die höhere Steuerlast in diesem Fall, denn ich kann der hohen Mieteinnahme nur wenig Zinslast entgegen setzen und aufgrund der geringen Tilgung verlängert sich die Gesamtlaufzeit des Darlehens. Somit zahle ich auch über einen größeren Zeitraum Zinsen.

  • bedenken die steigende Darlehenslaufzeit, denn nicht nur die fallenden Zinsen tragen dazu bei (eigentlich müsste man hier parallel die Tilgung dann erhöhen), sondern auch die künstlich niedrig gehaltene Tilgung lässt eine Finanzierung bis spät in die Rente folgen

Die Eigennutzer begehen meiner Meinung nach den Fehler, sich die falschen Berater auszusuchen, auch wenn diese häufig schwer zu erkennen sind. Entweder einen, der nicht frei arbeitet und NICHT das BESTE Angebot liefern kann, sondern nur seinen Produktverkauf durchzieht oder einen, der seine Erlaubnisse bei der Industrie- und Handelskammer vermutlich im Lotto gewonnen hat. So oder so wird der Kunde hier schlecht beraten. Der Kunde sollte sich mit den Möglichkeiten des World Wide Web vertraut machen und auch Bewertungen, Historie, Artikel und andere Dinge wie die Ausbildung des Beraters prüfen. Meiner Ansicht nach verfügen nur Bankkaufleute mit gewisser Weiterbildung über die notwendigen Fachkenntnisse. Ein Immobilienkaufmann, selbst mit Weiterbildung, sollte lediglich die Investition vermitteln, aber nicht die Seite der Kapitalbeschaffung beleuchten. Wie sagt man so schön? „Schuster bleib bei deinen Leisten!“

Wie viel Eigenkapital sollte man Deiner Meinung nach bei der Finanzierung einbringen? Was kann im schlimmsten Fall passieren, wenn man zu viel fremdfinanziert?

Für eine gesunde Immobilienfinanzierung sollten zumindest die Kaufnebenkosten selbst getragen werden können. Dies sind je nach Bundesland und Immobilienmakler zwischen 10 und 14,5% des Kaufpreises.

Der Trend geht natürlich dahin, möglichst wenig Eigenkapital einzusetzen und so die Anzahl zu erwerbender Immobilien zu maximieren. Im schlimmsten Fall kommt der Crash, die Immobilie ist nur noch die Hälfte wert, die noch vorhandenen Darlehen übersteigen diesen Wert enorm und können im Falle eines Verkaufs nicht vollständig getilgt werden. Dies ist auch häufig bei Trennungen/Scheidungen eines Paares oder plötzlicher Arbeitslosigkeit in den ersten Jahren der Immobilienfinanzierung der Fall. Ein weiteres Problem wird auftauchen, wenn man als Kapitalanleger mehrere Immobilien immer bis zum Anschlag finanziert, dass selbst andere neue Banken irgendwann einen Riegel davor schieben und die Finanzierung zusätzlicher Objekte versagen, damit der Kunde sich erst mal eine gesunde Liquidität aufbauen kann. Was macht der Kunde aber nun? Er kooperiert mit Privatanlegern, die ihm gegen Grundschuld das notwendige Eigenkapital für eine Finanzierung bereitstellen. Jedoch verlangen diese häufig Zinssätze ab 8% p.a. aufwärts. Der gewünschte Effekt des positiven Cashflows wird also geringer, eine Ablehnung weiterer Finanzierungen bei Banken droht und im Falle unvorhergesehener Ereignisse steht man vor einer ungedeckten Restschuld im Darlehen.

Was kann ich tun, wenn meine angestrebte Finanzierung von der Bank abgelehnt wird?

Zunächst Ruhe bewahren und nicht gleich zur nächsten rennen und wieder Schiffbruch erleiden, denn jede erneute Anfrage von Konditionen wird in der Schufa abgespeichert. Diese beeinträchtigen zwar nicht den Score-Wert, aber jede neue Bank kann die vorherigen Anfragen einsehen und stellt sich selbstverständlich die Frage, weshalb sie die Finanzierung begleiten soll, wenn bereits sechs andere dies abgelehnt haben. Nach Absage sollte man sich mit einem freien Berater mit der notwendigen Erfahrung zusammensetzen oder aktuell zusammentelefonieren und die Situation analysieren. Folglich kann der Grund für die Absage identifiziert und vielleicht bei weiteren Anfragen vermieden werden. Als Alternative kann der Berater bei einigen Banken, die er für geeignet hält, Voranfragen einreichen, um die generelle Durchführbarkeit ohne direkte Schufa-Abfrage bestätigen zu lassen. So schießt der Kunde nicht weiter fatale Eigentore, sondern sichert sich den Relegationsplatz mit der Chance auf den Hauptgewinn, nämlich den Aufstieg (Einzug ins Eigenheim).

Wie empfindest du das kürzlich getroffene Gerichtsurteil des EuGH, in dem geschrieben ist, dass die sogenannte Widerrufsinformation in bestimmten Kreditverträgen unvereinbar mit europäischem Recht ist?

Das Urteil ist aktuell Ziel von Kampagnen vieler Anwaltskanzleien. Die Zahl der Kreditverträge in Deutschland, die hier Bestandteile dieses Urteils sind, ist mit großer Wahrscheinlichkeit sehr hoch. Das heißt jedoch nicht, dass jeder Kunde nun zu seiner Bank gehen sollte und diese Verträge für rechtswidrig erklären sollte. Vor allem ist dies sinnvoll für Kunden, die aus Ihren Verträgen raus möchten und die Darlehen Ihrer Immobilie aufgrund einer Erbschaft oder dergleichen komplett tilgen können. Allen anderen Kunden kann ich hierzu keine Empfehlung abgeben, denn die Konditionen sind in den letzten Jahren nicht mehr in solch einem Maß gesunken, das dieses Vorgehen zu rechtfertigen wäre. Denn die Bank, die die Anschlussfinanzierung dann vollziehen soll, wird sich natürlich fragen, weshalb die Verträge bei dem Vorgänger vorzeitig aufgelöst wurden. Dies lässt den Kunden womöglich in einem so schlechten Licht stehen, dass ihm möglicherweise einige Anbieter einer Anschlussfinanzierung nicht mehr zu Verfügung stehen, denn diese befürchten dann auch Klagen oder dergleichen wegen möglicher unklarer Sachverhalte in neuen Kreditverträgen. Somit kann abschließend dieses Gerichtsurteil zum Vorteil für bestimmte Kunden werden, der Großteil sollte hiervon aber Abstand nehmen oder sich zumindest äußerst gut überlegen, ob man diesen Schritt wirklich gehen möchte.

Was war das Beste was Du im letzten Jahr in Bezug auf Immobilien-Finanzierung dazugelernt hast?

Der Mehrwert, den bestimmte Banken auch für Kunden mit erledigten negativen Schufa-Einträgen bieten. Selbstverständlich sind diese Modelle an Stabilität im Einkommen des Kunden sowie Finanzierungen bis max. 300.000 € gebunden (auch keine Insolvenz und Vermögensauskunft), aber mir sind dadurch Wege aufgezeigt worden, einigen Kunden doch den Einzug ins Eigenheim zu ermöglichen, obwohl alle anderen Banken diese Kunden für finanzierungsmedizinisch tot erklärt hatten. Das war eine enorme Bereicherung für den Kunden und auch für mich, da ich diese Modelle vorher stets selbst für Blödsinn gehalten hatte.

Wer ist Dein*e Superheld*in (real oder fiktiv)?

Ganz ehrlich? Meine wundervolle Frau! Niemand sonst hält mir so den Rücken frei, damit ich genau das tun kann, was mir tagtäglich wieder Spaß bereitet und womit ich natürlich auch meinen Lebensunterhalt bestreite. Niemand sonst hat mir anfangs so viel Mut zugesprochen, meinen Traum von der Selbstständigkeit in der Beratung voranzutreiben. Nur Sie schenkte mir zwei wundervolle Söhne, für deren und ihr Lächeln es sich täglich lohnt früh aufzustehen und alles zu geben. Die meisten suchen sich ständig große und erfolgreiche Personen als Vorbilder und Helden. Leute, schaut mal außerhalb des Tunnels und lernt die Familie zu schätzen. Helden stehen euch nicht in Krisen bei, Helden greifen euch auch nicht unter die Arme, wenn ihr mal richtig in ein Loch gefallen seid. Familie ist und bleibt das Wichtigste. Die wahren Helden befinden sich in einem Radius von 5 Metern um euren morgendlichen Küchentisch.

Vielen Dank für das Interview!

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